Green Premium oder Underperformance? Warum sich Geduld bei Wasserstoff lohnt
Die Wasserstoffwirtschaft steht im Zentrum der Energiewende. Doch während die politischen Visionen und technologischen Fortschritte kaum zu bremsen scheinen, bleibt die Performance vieler Wasserstoffaktien bislang hinter den Erwartungen zurück. Anleger fragen sich zu Recht: War das Investment ein Fehler? Oder erleben wir gerade eine typische Phase der Ernüchterung, wie sie bei disruptiven Technologien üblich ist? Die Antwort ist differenziert – und sie spricht für Geduld.
Was bedeutet „Green Premium“?
Der Begriff „Green Premium“ beschreibt die Mehrkosten, die für nachhaltige Lösungen im Vergleich zu konventionellen Alternativen entstehen. Bei Wasserstoff bedeutet das: Grüner Wasserstoff ist aktuell teurer als fossile Energieträger oder grauer Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird. Diese Mehrkosten schlagen sich auch in den Bilanzen von Unternehmen nieder, die heute noch keine Gewinne erwirtschaften, aber in eine grüne Zukunft investieren.
Viele der heute im Wasserstoffsektor aktiven Unternehmen sind Technologiefirmen in der Aufbauphase. Sie forschen, entwickeln und investieren massiv in Infrastruktur. Kurzfristige Gewinne stehen dabei oft nicht im Fokus. Stattdessen wird Kapital benötigt, um Marktanteile zu sichern, Skaleneffekte zu erreichen und regulatorische Rahmenbedingungen zu nutzen.
Die Phase der Enttäuschung ist kein Einzelfall
Wenn neue Technologien auf den Markt kommen, verläuft die Entwicklung oft in Wellen: Anfangs sorgt der Hype für überhöhte Erwartungen, denen die Realität nicht standhalten kann. Die Folge ist eine Phase der Ernüchterung – mit fallenden Kursen, obwohl die fundamentale Entwicklung positiv bleibt. Ein prominentes Beispiel ist die Solarbranche: Zwischen 2008 und 2012 erlebte sie einen regelrechten Crash, bevor sie sich ab 2015 als Schlüsseltechnologie der Energiewende etablierte und viele Unternehmen ein starkes Comeback feierten.
Ein ähnliches Muster ist im Wasserstoffsektor zu beobachten. Zwischen 2020 und 2021 erlebten viele H2-Aktien eine Kursexplosion, gefolgt von deutlichen Korrekturen. Doch hinter den Kulissen schreitet die Entwicklung voran: Elektrolyseur-Kapazitäten werden ausgebaut, Pipeline-Projekte genehmigt, Industriepartnerschaften geschlossen.
Politik, Industrie und Investoren ziehen an einem Strang
Die politische Rückenwind für Wasserstoff bleibt stark:
- Die EU hat mit ihrer Wasserstoffstrategie ehrgeizige Ziele formuliert.
- Deutschland fördert Elektrolyseure, Netze und industrielle Anwendungen über das IPCEI-Programm.
- Die USA setzen mit dem Inflation Reduction Act auf massive steuerliche Anreize für grünen Wasserstoff.
Auch die Industrie bekennt sich klar zu H2: Stahlhersteller wie thyssenkrupp, Zementproduzenten, Chemieunternehmen und Energieversorger planen den schrittweisen Ersatz fossiler Brennstoffe durch grünen Wasserstoff.
Kapitalströme folgen: Institutionelle Investoren, Infrastrukturgesellschaften und zunehmend auch Private-Equity-Fonds sichern sich bereits frühzeitig Beteiligungen an Wasserstoffprojekten.
Langfristig denken, gezielt investieren
Für Anleger bedeutet das: Die große Vision der Wasserstoffwirtschaft ist intakt. Doch der Weg dorthin ist volatil und von politischen, technologischen und regulatorischen Weichenstellungen geprägt. Wer hier investiert, braucht einen langen Atem – und sollte auf Unternehmen setzen, die strategisch gut positioniert sind:
- Technologieanbieter mit klarer Roadmap
- Partner starker Industrieakteure
- Gute ESG-Ratings und solide Governance
Ein aktiv gemanagter Wasserstofffonds kann helfen, Chancen gezielt zu nutzen und Risiken breit zu streuen.
Fazit: Die Underperformance ist temporär, die Transformation strukturell
Die aktuellen Kursentwicklungen im Wasserstoffsektor spiegeln nicht das langfristige Potenzial wider. Vielmehr durchlaufen wir eine Phase, die bei zukunftsweisenden Technologien typisch ist: hohe Erwartungen, gefolgt von Korrekturen – aber mit stetigem Fortschritt im Hintergrund.
Wer heute investiert, investiert in den Aufbau eines neuen Energiesystems. Der „Green Premium“ ist nicht nur ein Preisaufschlag, sondern eine Investition in eine dekarbonisierte Zukunft. Und genau deshalb lohnt sich Geduld.